„Mir wird schon nichts passieren“, „Wenn ich in Gefahr bin, rufe ich die Polizei“, oder „Nur der Staat und seine Organe sollen Gewalt ausüben dürfen“ sind Sätze, die man zu hören bekommt, wenn man über das Thema Selbstverteidigung diskutiert.

Hier in Österreich leben wir zum Glück in einem Land, das (selbst nach diversen Terroranschlägen) als relativ sicher gilt. Ein Handy ist für nahezu jedermann mittlerweile ein ständiger Begleiter. Insofern kann man die obigen Sätze gut nachvollziehen und selbst wenn sie auf den ersten Blick richtig erscheinen, beginnen sie bei näherer Betrachtung ihre argumentative Kraft zu verlieren.

Argumentativ möchte ich mich dem Thema von einer anderen Seite her nähern:

Alle, die in Österreich einen Führerschein machen, müssen einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren. Wieso?

Weil in dem Moment, in dem dieses Wissen benötigt wird, wahrscheinlich gerade kein Rettungsauto, kein Arzt oder Krankenhaus in der Nähe ist. Man ist auf sich alleine gestellt, um die ersten, immens wichtigen Minuten zu überstehen und bestmöglich Hilfe leisten zu können, bis dann die Profis übernehmen.

Das Gleiche gilt für die Empfehlung, Rauchwarnmelder und Feuerlöscher daheim zu haben. Wieso?

Weil in dem Moment, in dem der Feuerlöscher benötigt wird, wahrscheinlich gerade kein Feuerwehrauto in der Nähe ist. Wieder ist man auf sich alleine gestellt. Hier kann in der Entstehungsphase eines Brandes noch mit dem Löscher gelöscht werden, bis die Profis kommen und eine Ausbreitung verhindern.

Analoges gilt auch für die Selbstverteidigung. Wieso?

Weil in dem Moment, in dem man Selbstverteidigungsfertigkeiten benötigt, wahrscheinlich kein schützender Polizist in der Nähe ist. Wieder ist man in einer Selbstverteidigungssituation auf sich alleine gestellt.

Kann man in den beiden erstgenannten Szenarien meistens noch einen Notruf absetzen, ist das im Falle einer Selbstverteidigungssituation oft genau anders herum.

Viele Angriffe passieren leider sehr schnell (und noch schneller, wenn man in Zustand „Weiß“ ist, siehe Sicherheitstip #2) und man hat einfach keine Zeit, zum Handy zu greifen und 133 zu rufen (oder die Notruffunktion des Handys auszuwählen). Probieren Sie es einfach aus und simulieren Sie eine akute Selbstverteidigungssituation.

Der direkte Angriff ist oft auch in weniger als 30 Sekunden vorbei (auch wenn es sich wie eine Ewigkeit anfühlen kann). Selbst wenn man somit zu Beginn des Angriffs Hilfe rufen kann – in 30 Sekunden ist vielleicht Superman zur Stelle, aber keine Polizei, weil es einfach nicht möglich ist.

Damit hier keine Mißverständnisse aufkommen:

Je mehr man sich mit Selbstverteidigung beschäftigt, desto mehr weiß man auch darüber, wie chaotisch eine solche Situation abläuft und wie gefährlich das sein kann. Niemand sollte sich freiwillig in eine derart schwierige Situation begeben!

Lassen Sie sich von den vielen Lehrvideos zum Thema Kampfkunst auf Youtube nicht täuschen: Viele Szenen, die Sie da zu sehen bekommen, sind nicht realistisch, da

  • Angriffe nicht mit voller Wucht ausgeführt werden
  • nur 1 Angreifer vorhanden ist
  • der Verteidiger weiß, was passieren wird
  • dort alle Entwaffnungen immer funktionieren
  • jedoch nachgedreht oder geschnitten wird, wenn etwas schiefgegangen ist
  • ein Schiedsrichter vorhanden ist
  • der Angreifer aufhört, sobald man am Boden liegt

Im Training kann man sich ausprobieren und wird feststellen, daß das mit der Selbstverteidigung gar nicht so einfach ist, wenn z.B. mehrere Angreifer ohne Absprache der Angriffsart angreifen …

Deshalb steht das Vermeiden einer Selbstverteidigungssituation immer an erster Stelle!

Genauso stehen Unfall- und Brandverhütung an erster Stelle.

Wenn man in einer gefährlichen Situation ist, versucht man, sie so schnell wie möglich zu verlassen und gegebenenfalls Hilfe herbeizuholen. Natürlich rufen auch wir Hilfe herbei, sobald es möglich ist!

Polizei ist in der Regel besser ausgestattet und kann ganz andere Dinge tun als man selbst, gleich wie die Rettung und Feuerwehr.

Es besteht immer die Gefahr einer Verletzung bis hin zum Tod bzw. eines teuren juristischen Nachspieles. Also wann immer möglich Hilfe holen und die Profis ranlassen. Übrigens trainieren viele Polizisten in Deutschland Avci Wing Tsun und Avci Escrima 😉

Wenn eine Vermeidung und ein Verlassen der Situation nicht mehr möglich ist – und das geht auf das dritte Argument von oben ein – wird jedem Einzelnen von Rechts wegen zugestanden, sich mit Gewalt gegen einen „gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen“ zu wehren.

Ihnen sollte jetzt klar geworden sein, daß das jedoch immer nur die ultima ratio ist, wenn eine Situation nicht mehr vermieden oder verlassen werden kann.

Lassen Sie es mich hier noch einmal klar und deutlich sagen: Sie sind in der Regel für Ihre eigene Unversehrtheit (und vielleicht die Ihrer Liebsten) selbst verantwortlich, bis Hilfe kommt.

Es ist besser, etwas zu haben und nicht zu brauchen, als es zu brauchen und nicht zu haben.

SLFDFNS-TIPS